Veranstalter: PD Dr. Florian Hartmann, Institut für Geschichtswissenschaft, Universität Bonn
Datum, Ort: 20.02.2014-22.02.2014, Bonn, Universität Bonn, Kapitelsaal Sankt Remigius, Brüdergasse 8, Bonn
Im ausgehenden 11. und beginnenden 12. Jahrhundert war Europa einem tief greifenden geistigen und sozialen Wandel unterworfen. Damit verbunden waren die papstgeschichtliche Wende und die folgende Auseinandersetzung zwischen Papst und König, die in der Geschichtswissenschaft traditionell unter dem Schlagwort des Investiturstreits gefasst wird. In diesem Kontext wurden die literarische Produktion und briefliche Kommunikation quantitativ wie qualitativ auf eine neue Ebene gehoben. Davon zeugen zahlreiche Briefsammlungen ebenso wie die sogenannten Libelli de lite. Die letzten umfassenden Studien zu beiden Quellengruppen liegen bereits einige Zeit zurück: Zu den „Streitschriften“ hat Carl Mirbt zwar wichtige Pionierarbeit geleistet, aber seine Etikettierung als „Publizistik“ evozierte eine Homogenität, die heute stark bezweifelt wird. Die Analyse der Briefe dagegen wurde maßgeblich von den bahnbrechenden Untersuchungen Carl Erdmanns geprägt. Erst in den letzten Jahren ist die mittelalterliche Epistolographie wieder stärker in den Vordergrund gerückt. Die dabei entwickelten neuen Perspektiven setzten Impulse für eine komplexere historische Interpretation der gesamten Textproduktion der Epoche. Dieser Umstand sowie jüngste Fortschritte in der Erforschung hochmittelalterlicher Kommunikation und Öffentlichkeit ermuntern dazu, sich der Rolle des Briefes und anderer „Streitschriften“ als Mittel der Meinungsbildung im Investiturstreit erneut intensiv anzunehmen. Auf der prominent besetzten Tagung wird vor dem Hintergrund epochaler Veränderungen das Augenmerk hauptsächlich gerichtet auf die Produktion, Verwendung und Rezeption dieser Texte, insbesondere im Hinblick auf die neuen Entwicklungen des rhetorischen Wissens. Jüngere Versuche, die unterschiedlichen „Streitschriften“ auf eine einheitliche Gattung zu reduzieren, sollen durch eine differenziertere Betrachtung ergänzt werden. Um den vereinheitlichenden Tendenzen zu begegnen, ist es unerlässlich, die Texte wieder in ihrer Individualität separat zu erfassen. Dieser Schritt ist notwendige Voraussetzung für eine komplexere Deutung ihrer kommunikativen Funktion. Daher werden auf der international besetzten Tagung rund 20 renommierte Historiker erstmals im Kollektiv die heterogene Produktion der „Streitschriften“ analysieren, um ihrer typologischen Vielfalt gerecht zu werden.
Die Tagung gliedert sich in vier Sektionen: Die erste Sektion befasst sich mit dem Brief als Medium der Kommunikation. In der zweiten Sektion stehen die unterschiedlichen Kontexte der Briefproduktion im Fokus. Anschließend widmet sich die dritte Sektion der typologischen Pluralität der unter dem Label „Streitschriften“ unzulässig zusammengefassten Texte. In der letzten Sektion rücken die argumentative Auseinandersetzung und die dabei vorgebrachten Autoritäten in den Mittelpunkt.
Programme :
20. 02.2014
14.00 Uhr
Sektion 1 – Der Brief als Medium der Kommunikation
Moderation: Stefan Weinfurter
14.00 : Grußwort
14.15 : Florian Hartmann (Bonn) - Begrüßung und Einführung
14.45 : Oliver Münsch (Karlsruhe) - Gerüchte und ihre propagandistische Funktion
15.30 : Pause
16.00 : Thomas Wetzstein (Rostock) - Von der Unmöglichkeit zu kommunizieren: Briefe, Boten und Kommunikation im 11. Jahrhundert
16.45 : Christian Heinrich (Tübingen) - Streitschriften: Literarische Gattung oder inhaltliche Kategorie?
18.00 : Öffentlicher Abendvortrag : Rudolf Schieffer (München/Bonn) - Deutungen des Investiturstreits
21. 02.2014
9.00 Uhr
Sektion 2 – Kontexte der Briefproduktion
Moderation: Alheydis Plassmann
9.00 : Jochen Johrendt (Wuppertal) - Papstgeschichtliche Wende und produktive Zerstörung. Päpstliche Briefe im Zeitalter des Investiturstreits
9.45 : Gerhard Lubich (Bochum) - Briefe an den Vater. Publikum und Öffentlichkeit in den Korrespondenzen Heinrichs IV. und Heinrichs V.
10.30 : Pause
11.00 : Matthias Schrör (Düsseldorf) - Zur brieflichen Korrespondenz der Reichsbischöfe im Investiturstreit
11.45 : Sita Steckel (Münster) - Streiten lernen? Schulische Aneignung von brieflichen Kommunikations- und Konfliktstrategien im 11. Jahrhundert
12.30 : Mittagspause
14.30 Uhr
Sektion 3 – Pluralität der Streitschriften
Moderation: Tobias Weller
14.00 : Nicolangelo D'Acunto (Mailand) - Comunicare la riforma: canone epistolare e forme dell'argomentazione nelle lettere di Pier Damiani
14.45 : Roland Zingg (Zürich) - Streit ohne Streitschriften - die englische Investiturproblematik im Spiegel der Briefsammlungen Lanfrancs und Anselms von von Canterbury
15.30 : Pause
16.00 : Wilfried Hartmann (München) - Sigebert von Gembloux - ein radikaler Antigregorianer?
16.45 : Eugenio Riversi (Bonn) - Res tam nodosas. Gattungsgrenzen, Texttypologie und thematische Entfaltung am Beispiel der Werke Rangers von Lucca
17:30 : Pause
17:45 : Georg Strack (München) - Brief und Predigt - zur (Inter-)Medialität von Kommunikation im Zeitalter der Kirchenreform
21. 02.2014
9.00 Uhr
Sektion 4 – Argumentative Auseinandersetzungen und Streitthemen
Moderation: Florian Hartmann
9.00 : Matthias Becher (Bonn) - Gregor VII. und Heinrich IV. vor dem Streit. Missglückte Kommunikation oder Provokation?
9.45 : Anja-Lisa Schroll (Bonn) - ...magis volens vincere effuso mortalium sanguine, quam sanctorum canonum gloriosissimo certamine. Das Cadalus-Schisma aus wibertinischer und gregorianischer Sicht
10.30 : Pause
11.00 : Klaus Herbers (Erlangen) - Briefsammlungen des 9. Jahrhunderts, Überlieferung und Gebrauch zur Zeit der papstgeschichtlichen Wende
11:45 : Lotte Kéry (Bonn) - Kanonistische Sammlungen des 11. Jahrhunderts und ihre "Adressaten"
12.30 : Florian Hartmann (Bonn) - Zusammenfassung
Source de l'information : H-Soz-U-Kult